Kantonal geht nicht

Bezüglich der Qualität und der Digitalisierung ist der kantonale Wettbewerb unsinnig, zumal sich die Versorgungsregionen nicht an die Kantonsgrenzen halten.

Die Bevölkerung ist der Meinung, dass die Qualität in unserem Gesundheitswesen stimmt. Bei genauerer Betrachtung sind allerdings Zweifel angebracht, ob die medizinische Versorgung so gut ist, wie sie von der Bevölkerung wahrgenommen wird. Zwei Beispiele gemäss Informationen des Branchenportals Medinside.ch:

  • Unter 20 untersuchten Industriestaaten werden in der Schweiz am meisten Operations-Besteck und andere Überbleibsel nach Operationen im Körper der Patienten vergessen. Bei 100 000 Operationen passieren in der Schweiz 11,6 Ereignisse, die durch Sicherheitsstandards ausgeschlossen werden könnten. Der Durchschnitt der OECD-Länder ist mit 5 Ereignissen gerade mal halb so hoch. Operations-Besteck kann vor und nach der Operation gescannt werden. Selbst Tupfer gibt es, die ein kleines RFID-Funkmodul enthalten. Somit kann sichergestellt werden, dass keine Bestecke oder Tupfer im Körper vergessen gehen.
  • Hausärzte machen gemäss einer neuen Studie zwei Medikationsfehler pro Jahr. Hochgerechnet sind das rund 14 000 Fehler pro Jahr. Zehn Prozent davon oder vier Fehler pro Tag sind sehr relevant.

Qualität fordern

Wie prüfen Hausärzte Nebenwirkungen und Interaktionen bei mehrfachkranken Patienten, die gleichzeitig mehrere Medikamente einnehmen? Die Patienten werden immer älter, die Therapien immer komplexer. Wie lange kann ein Hausarzt noch «lege artis» arbeiten? Falsche Medikamente und falsche Kombinationen oder Dosierungen können mit elektronischer Unterstützung verhindert werden. Leistungserbringer und Krankenkassen sollten verpflichtet werden, Qualitätsentwicklungsverträge abzuschliessen, damit Qualitätskontrollen systematisch durchgeführt und vermeidbare Fehler auch effektiv vermieden werden.

Qualitätsverpflichtungen zu schaffen, liegt in der Kompetenz des nationalen Parlaments. Dieses tut sich schwer damit, weil die Kantone für den Vollzug zuständig sind. Der Föderalismus wird im Gesundheitswesen immer mehr zum Qualitäts- und zum Kostenproblem. Kantonale Qualitätsvorgaben gibt es für Spitäler. Im ambulanten Bereich, vor allem bei Grundversorgern, wird die Qualität kaum kontrolliert und kann somit auch nicht systematisch verbessert werden. Ärztegesellschaften behaupten, Qualität im ambulanten Sektor liesse sich kaum messen. Führende Qualitätsexperten sind da ganz anderer Meinung.

Die Digitalisierung hat das Potential, die Qualität im Gesundheitswesen zu verbessern, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
Es braucht erstens national einheitliche Qualitätsvorgaben im stationären und im ambulanten Sektor.
Zweitens muss die Digitalisierung prozessübergreifend über den ganzen Behandlungspfad hinweg erfolgen. Der Nutzen schwindet, wenn nur ein Akteur digitalisiert ist, der andere aber nicht. Ebenso unsinnig ist es, die konsequente Digitalisierung nur in einzelnen Kantonen umzusetzen.

, endlich gemeinsam eine nationale Gesundheitsstrategie zu entwickeln

Walter Stüdeli

Geschäftsführer von Köhler, Stüdeli & Partner. Zu den Schwerpunkten der 2003 gegründeten Politik- und Kommunikationsberatungsfirma gehören die Verbandsführung, das Lobbying, die Beratung bei Abstimmungen und Wahlen sowie die strategische Erfolgskontrolle von Public-Relations-Projekten. Er ist zudem Geschäftsführer der IG eHealth.

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